Man hört so oft in Interviews mit Schriftstellern, dass sie Schreibblockaden haben.
Ja, auch die ganz Großen!
Was muss man sich unter einer Schreibblockade vorstellen? Wortfindungsschwierigkeiten?
Die Idee zum neuen Roman, zur nächsten Kurzgeschichte ist da.
Erwartungsvoll, innerlich gespannt, setze ich mich vor meinen PC. Eigentlich ist schon alles durchdacht, ich brauche es nur auf Papier bringen.
Der Kaffee steht bereit, niemand stört.
Also los!
Los!
Wie wollte ich nochmal anfangen? Es fällt mir nicht wieder ein. Natürlich, das Gesamtkonzept ist klar, aber wie müsste der erste Satz lauten – damit er auch gleich neugierig macht?
Neulich hatte ich doch einen, der war richtig gut. Warum habe ich ihn mir nicht notiert?
Ich sehe aus dem Fenster. Nach einer Weile ertappe ich mich beim Tagträumen – und da, da ist der erste Satz. Viel besser, als vorgesehen. Voller Energie fülle ich die Seiten.
Korrigieren, verändern, umstellen kann ich später.
So geht es mir. Manchmal wird die Geschichte anders verlaufen, als wochenlang zuvor geplant. Sie wird sogar zum Selbstläufer. Es ist, als säße jemand in meinem Hirn und diktiert.
Jemand? Aber das bin doch ich. Früher habe ich nie verstanden, was Autoren meinten, wenn sich ihre Geschichte „verselbständigt“, wenn ihre Protagonisten eine Eigendynamik entwickeln und wenn sie allzu wirklich, nicht erdacht, erscheinen.
Heute weiß ich, was gemeint ist. Es geht wirklich so vor sich. Es kann sein, dass ich mit den Figuren untereinander Gespräche führe, als säßen sie neben mir. Und dann wird geschrieben, gestrichen, neu erfunden.
So geht es voran, lange.
Dann kommt eine Zeit, in der man wochenlang nicht zum Schreiben kommt. Anfangs stört es nicht, ich bin im Stoff und könnte mich jederzeit wieder flüssig daran setzten.
Aber plötzlich verliere ich meine Geschichte. Ich tröste mich damit, dass ich doch jederzeit…wenn ich wollte, vielleicht morgen oder nächste Woche. Es gibt eben so viel anderes zu tun.
Kam ich drei oder vier Wochen nicht zum Schreiben, ist heute nun Zeit. Aber die Luft ist raus. Ich habe kleine Ausreden, was ich machen müsste, weil ich fühle, es geht nicht.
Was geht denn nicht?
Der Anschluss fällt schwer. Da sind sie, Wortfindungsschwierigkeiten.
Was muss ich tun? Alles bisher Geschriebene gut durchlesen, dabei Korrekturen vornehmen und dann bin ich wieder drin.
So geht es mir.
Die französische Schriftstellerin Delphine de Vigan („Das Lächeln meiner Mutter“, 2010) schreibt in ihrem Roman „Nach einer wahren Geschichte“, 2015 bei Dumont, von einer Schreibblockade:
„Alles war eine Sache des Funkens, des Auslösers. Dann kam das Schreiben, diese einsamen Monate vor dem Computer, dieser Kampf mit bloßen Händen, in dem nur das Durchhaltevermögen den Sieg erringen könnte.“
Soweit zu zum erwartungsvollen Anfang.
Weiter schreibt sie, dass sie einige Wochen vor sich hatte, bevor:
„ich die Zeit und die nötige geistige Freiheit haben würde, um mich an die Arbeit zu setzen. Ich hatte vor, das neue Buch im Herbst zu beginnen,…
Natürlich ahnte ich, dass es nicht leicht werden würde. Ich musste wieder ins Gleis kommen, die kaum wahrnehmbaren Wegmarken wiederfinden, diesen unsichtbaren Faden, der von einem Werk zum anderen führt, den man in der Hand zu haben glaubt und der uns dennoch ständig entgleitet.“
Sie erwähnt, dass man sich von allem frei machen muss, von Zweifeln, von Ängsten.
Autoren mit Erfolg haben Zweifel und Ängste?
Ich dachte bisher, dass nur so unbekannte Autoren wie ich Zweifel haben, ob das, was ich mir zum Thema gemacht habe, überhaupt interessiert. Leser vielleicht, aber Verlage? Die verweisen meist auf den sogenannten Mainstream.
So ist das also mit Schreibblockaden, Wortfindungsschwierigkeiten und Zweifeln.